TAURUS NEO: So wird die TAURUS Reichweite deutlich verbessert

TAURUS NEO steht sinnbildlich für die Frage, wie viel Potenzial in einem bewährten Marschflugkörper noch steckt. Die Bundeswehr nutzt den luftgestützten TAURUS KEPD 350 als präzise Abstandswaffe gegen verbunkerte und eingegrabene Ziele und will ihn bis mindestens Mitte der 2040er-Jahre im Bestand halten. Mit der geplanten Variante TAURUS NEO soll das System technisch in die Zukunft verlängert werden. Es bleibt äußerlich weitgehend gleich, erhält aber im Inneren moderne Elektronik, Sensorik und voraussichtlich bessere Selbstschutz- und Antriebslösungen.

TAURUS NEO: So wird die TAURUS Reichweite deutlich verbessert
TAURUS NEO: So wird die TAURUS Reichweite deutlich verbessert

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Bundeswehr beschaffte 2005–2010 rund 600 TAURUS-Marschflugkörper für den Tornado; künftig soll der Eurofighter die Waffe tragen.
  • TAURUS fliegt extrem tief, nutzt Gelände und Radarschatten und kann Ziele bis tief ins gegnerische Hinterland erreichen, unabhängig von der offiziellen Reichweitenangabe.
  • Der Tandem-Gefechtskopf durchschlägt selbst stark ausgebaute Bunker und kann auf eine gewünschte Bunkeretage „programmiert“ werden.
  • TAURUS NEO wird voraussichtlich den gleichen Air-Frame nutzen, aber mit moderner Elektronik, Sensorik und potenziell integrierten Selbstschutzsystemen ausgestattet.
  • Beim Antrieb bleibt das P8300-15-Triebwerk aus den USA wahrscheinlich gesetzt, Optimierungen könnten die Maximalreichweite aber in Richtung 1.000 km schieben.

Was ist der TAURUS NEO in einfachen Worten?

Der TAURUS NEO ist eine modernisierte Version des TAURUS KEPD 350, die den bewährten Grundkörper beibehält, aber Elektronik, Sensorik, Navigation sowie voraussichtlich Selbstschutz und Antrieb deutlich aufrüstet, um Reichweite, Überlebensfähigkeit und Einsatzflexibilität bis mindestens Mitte der 2040er-Jahre zu steigern.

TAURUS als Ausgangspunkt: Rolle, Stückzahl und Trägersysteme

Der TAURUS KEPD 350 ist die technologische Basis, auf der der TAURUS NEO aufbaut. Die Bundeswehr verfügt über rund 600 dieser Marschflugkörper, die zwischen 2005 und 2010 beschafft wurden. Ursprünglich waren sie für den Einsatz vom Tornado-Kampfflugzeug vorgesehen. Nach der Ausmusterung des Tornados soll der Eurofighter die Rolle als Trägerplattform übernehmen. Entsprechende Integrationsarbeiten laufen bereits oder sind vorbereitet.

Politisch ist beschlossen, die Waffe mindestens bis Mitte der 2040er-Jahre zu nutzen. Um das zu ermöglichen, hat das Beschaffungsamt Ende 2024 einen Vertrag zur „Generalüberholung 2“ geschlossen, der die Einsatzfähigkeit bis mindestens 2045 sichern soll. Parallel taucht in einer 25-Millionen-Vorhabensliste des Verteidigungsministeriums das Projekt „MAW TAURUS NEO inkl. Aufbau einer Fertigungslinie“ auf. Genau diese Kombination aus Lebensdauerverlängerung und Neuentwicklung macht das System strategisch so interessant.

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Kenndaten TAURUS KEPD 350 Wert
Gefechtsmasse ca. 1,4 Tonnen
Reichweite (offiziell) ca. 500 km
Gefechtskopf ca. 450 kg, Tandem-Penetrator
Explosivstoffanteil ca. 100 kg
Einsatzart luftgestützter Marschflugkörper

Flugprofil, Reichweite und Einsatzdoktrin des TAURUS

Oft wird beim TAURUS zuerst über Reichweite gesprochen. Offiziell liegt sie bei etwa 500 Kilometern. Fachleute gehen jedoch davon aus, dass die tatsächliche Reichweite deutlich höher liegt. Trotzdem ist dieser Wert im praktischen Einsatz weniger entscheidend.

Denn TAURUS fliegt keinen simplen Geradeauskurs wie eine ballistische Rakete. Er ist für extrem tiefen Konturenflug unter 50 Metern Flughöhe ausgelegt. Dabei nutzt er Geländeformen und Radarschatten konsequent aus. In der Missionsplanung werden bekannte feindliche Luftverteidigungssysteme berücksichtigt.

Die Route wird so gewählt, dass Reichweitenlücken und Schwachstellen der gegnerischen Luftabwehr optimal ausgenutzt werden. Das bedeutet viele Kurswechsel und Höhenanpassungen, was Treibstoff kostet. Die effektive Reichweite ist daher stets missionsabhängig. Zudem wird der Startpunkt durch das Trägerflugzeug flexibel gewählt. So können Ziele bis zu 1.000 Kilometer hinter der Front erreicht werden, wenn das Strike-Paket entsprechend tief in den gegnerischen Luftraum eindringen kann.

Gefechtskopf, Zielwirkung und Pop-up-Angriff

Ein zentrales Merkmal des TAURUS ist seine Fähigkeit, hochgeschützte Ziele zuverlässig zu zerstören. Der Marschflugkörper verfügt über einen rund 450 Kilogramm schweren Tandem-Gefechtskopf mit Penetrator. Zunächst zündet eine Vorhohlladung. Sie reißt beim Auftreffen eine Öffnung in die Bunkerwand oder in eine andere massive Struktur.

Durch diese Lücke dringt der nachgeordnete Penetrator ein. Ein Sensor im Gefechtskopf misst den Eindringwiderstand. So kann im Vorfeld festgelegt werden, in welcher Bunkeretage der Hauptsprengsatz zur Wirkung kommen soll. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, kritisch wichtige Räume oder Kommandozentralen tatsächlich zu treffen.

Kurz vor dem Ziel erfolgt die sogenannte Pop-up-Phase. Der Flugkörper steigt an, um das Ziel aus einem steilen Winkel von oben zu treffen. Dieser Top-Attack-Ansatz nutzt Schwächen in der vertikalen Schutzwirkung vieler Bunkersysteme. Die Kombination aus zielgenauer Penetration, programmierbarer Zündung und steilem Angriffswinkel macht die Waffe gerade gegen verbunkerte Führungsstrukturen interessant.

Navigationsarchitektur: TRN, IBN und Störfestigkeit

Obwohl der TAURUS bereits seit über 20 Jahren existiert, ist seine Navigationsarchitektur nach wie vor hochmodern. Neben klassischer GPS-Navigation nutzt der Flugkörper eine Trägheitsnavigation. Besonders wichtig sind jedoch Terrain Based Navigation (TRN) und Image Based Navigation (IBN). Bei TRN gleicht der Flugkörper sein Höhen- und Geländebild mit hinterlegten Kartendaten ab.

So kann er auch ohne GPS-Signal seine Position bestimmen. IBN arbeitet mit Bildinformationen, etwa Infrarot-Szenen, und vergleicht diese mit Referenzbildern. Diese Verfahren erhöhen die Störfestigkeit massiv. Selbst wenn GPS-Signale gestört oder manipuliert werden, bleibt der Flugkörper führungsfähig. Moderne Konflikte zeigen, wie stark elektronische Gegenmaßnahmen zunehmen.

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Genau hier setzt TAURUS an und reduziert seine Abhängigkeit von satellitengestützter Navigation. In der Summe wird der Marschflugkörper dadurch schwerer zu bekämpfen. Er bleibt in komplexen elektromagnetischen Umgebungen präzise und zuverlässig. Für den TAURUS NEO ist zu erwarten, dass diese Navigationsfähigkeiten nochmals deutlich verbessert werden.

Flugzelle und Selbstschutzoptionen des TAURUS NEO

Der Begriff „NEO“ deutet auf ein Upgrade hin, nicht auf eine komplette Neuentwicklung. Deshalb soll der TAURUS NEO sehr wahrscheinlich den gleichen Air-Frame wie der bisherige TAURUS nutzen. Das hat mehrere Gründe.

Wenn das äußere Design unverändert bleibt, sind die Auswirkungen auf die Flugeigenschaften der Trägerflugzeuge identisch. Aufwendige und zeitintensive Qualifikations- und Flugversuche können reduziert werden. Das beschleunigt die Einführung in die Truppe. Der ursprüngliche Rumpf ist zudem von Beginn an auf geringe Radarsignatur („Low Observability“) ausgelegt.

Der Druck, diese Komponente grundlegend zu ändern, ist gering. Ein weiterer Vorteil sind vorhandene Bauraumreserven. Sie wurden bislang etwa für Telemetrieausrüstung bei Schießversuchen genutzt. Im scharfen Einsatz wird diese Ausrüstung nicht benötigt. Der frei werdende Raum kann beim TAURUS NEO für Selbstschutzsysteme genutzt werden. Diskutiert werden Düppel- und Flares-Werfer oder aktive Täuschkörper im elektromagnetischen Spektrum. Besonders in der exponierten Pop-up-Phase würde dies die Überlebens- und Durchsetzungsfähigkeit des Flugkörpers weiter erhöhen.

Elektronik-Upgrade: Warum TAURUS NEO zum „fliegenden Rechner“ wird

Den größten Technologiesprung der letzten 20 Jahre gab es im Bereich Elektronik und Rechenleistung. Was früher nur große Rechner leisten konnten, steckt heute in kompakter Hardware. Genau hier wird der TAURUS NEO ansetzen. Es gilt als sicher, dass er deutlich leistungsfähigere Elektronik erhält.

In Kombination mit moderner Sensorik, insbesondere einem aktualisierten Infrarotsuchkopf, lassen sich TRN und IBN qualitativ verbessern. Bilder können schneller erfasst, verarbeitet und mit Referenzdaten abgeglichen werden. Das verkürzt Entscheidungszyklen im Flugkörper. TAURUS NEO wird damit noch mehr zum „fliegenden Rechnersystem“. Gleichzeitig vereinfacht moderne IT-Infrastruktur die Missionsplanung am Boden.

Routen lassen sich schneller berechnen, Varianten leichter vergleichen und Bedrohungslagen besser simulieren. Durch höhere Rechenleistung können auch komplexere Flugprofile umgesetzt werden. Insgesamt führt das zu einer robusteren Zielauffassung und Navigation – gerade in stark gestörter Umgebung. Der Schritt vom klassischen TAURUS zum NEO ist damit vor allem ein Sprung in eine neue Elektronikgeneration.

Antrieb, Exportauflagen und Reichweitenpotenzial des NEO

Beim Antrieb gehen Fachmeinungen auseinander, doch einige Punkte zeichnen sich ab. Der bisherige TAURUS nutzt das Mantelstromtriebwerk P8300-15 von Williams International. Es liefert in Bodennähe bis zu 6,67 kN Schub und sorgt so für ein sehr günstiges Schub-Gewichts-Verhältnis. Dieses ist entscheidend für den extrem bodennahen Konturflug mit vielen Manövern.

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Im Vergleich dazu verfügt der etwa gleich große SCALP EG bzw. Storm Shadow mit dem Microturbo TRI 60 über nur etwa 3,5 bis 5,3 kN Schub. Das unterstreicht, wie leistungsfähig das TAURUS-Triebwerk ist. Problematisch ist jedoch der Fertigungsort in den USA. Das Triebwerk unterliegt strengen Exportbestimmungen. Diese wirken sich auf die Weitergabe und Exportfähigkeit des gesamten Marschflugkörpers aus. Eine komplette europäische Neuentwicklung mit ähnlichen Leistungsdaten würde jedoch Jahre dauern und hohe Risiken bergen. Deshalb halten viele Experten die Weiternutzung des P8300-15 für den TAURUS NEO für alternativlos.

Gleichzeitig sehen sie Optimierungspotenzial im Gesamtantriebssystem. Verbesserte Brennkammerauslegung, effizientere Treibstoffnutzung oder angepasste Flugprofile könnten die Maximalreichweite in Richtung 1.000 Kilometer schieben, ohne das Grundtriebwerk zu ersetzen.

Triebwerk Plattform Schub (Bodennähe, ca.)
Williams P8300-15 TAURUS KEPD 350 / NEO bis ca. 6,67 kN
Microturbo TRI 60 SCALP EG / Storm Shadow ca. 3,5–5,3 kN

Strategische Einordnung: Warum TAURUS NEO jetzt wichtig ist

Die Nennung von „MAW TAURUS NEO inkl. Aufbau einer Fertigungslinie“ in der Liste der 25-Millionen-Vorhaben ist mehr als eine technische Randnotiz. Sie zeigt, dass Deutschland seine Deep-Strike-Fähigkeiten langfristig absichern und ausbauen will. Gleichzeitig fügt sich TAURUS NEO in das Konzept einer modernisierten Luftwaffe ein, die mit Eurofighter und künftig weiteren Plattformen präzise Wirkung in der Tiefe erzeugen soll.

Die Kombination aus bewährtem Gefechtskopf, flexiblem Flugprofil und modernisierter Navigation macht das System für Szenarien mit massiver gegnerischer Luftverteidigung interessant. Zudem erlaubt der luftgestützte Ansatz eine orthogonale Ergänzung zu bodengestützten Systemen und Langstreckendrohnen. Für die Industrie bedeutet der Aufbau einer Fertigungslinie Planungssicherheit bis weit in die 2040er- und 2050er-Jahre. TAURUS NEO ist damit weniger ein völlig neues Waffensystem, sondern vielmehr ein strategisches Capability-Upgrade auf Basis eines bereits eingeführten Systems.

Fazit: Warum TAURUS NEO seinem Namen gerecht wird

TAURUS NEO wirkt wie ein TAURUS auf Steroiden, weil er Bewährtes klug mit moderner Technik kombiniert. Der Gefechtskopf bleibt, das Flugprofil bleibt, die Rolle als tief wirkende Abstandswaffe bleibt. Doch Elektronik, Sensorik und wahrscheinlich auch Selbstschutz heben das System auf ein neues Niveau. Dazu kommt ein optimiertes Antriebssystem, das Reichweite und Flexibilität steigern kann, ohne die Qualifikation neu aufzusetzen. Für die Bundeswehr entsteht so eine zukunftsfähige Deep-Strike-Fähigkeit, die bis mindestens 2045 relevant bleibt und Spielräume gegenüber Gegnern mit starker Luftverteidigung eröffnet.

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