Panzerabwehr der Bundeswehr

Panzerabwehr zählt seit den ersten gepanzerten Fahrzeugen zu den entscheidenden Fähigkeiten moderner Streitkräfte. Schon in der Antike versuchten Armeen, gegnerische Streitwagen oder gedeckte Rammböcke aufzuhalten. Mit der technischen Entwicklung wuchsen jedoch sowohl die Stärke der Panzerungen als auch die Anforderungen an wirksame Abwehrmittel. Heute verfügt die Bundeswehr über einen breiten Mix aus tragbaren Handwaffen, modernen Lenkflugkörpersystemen und autonomen Minensystemen. Diese Kombination ermöglicht es den Truppen, flexibel, mobil und zuverlässig gegen gepanzerte Bedrohungen vorzugehen.

Panzerabwehr der Bundeswehr
Panzerabwehr der Bundeswehr

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Panzerabwehr ist so alt wie die Kampfpanzer selbst und bleibt bis heute unverzichtbar.
  • Die Bundeswehr setzt auf mehrere Systeme: Panzerfaust 3, MELLS, PARM DM22, Panzerabwehrmine DM31 und Wirkmittel 90.
  • Moderne Systeme wie MELLS bieten Fire-and-Forget-Technologie und arbeiten mit hochentwickelter Sensorik.
  • Minensysteme ergänzen die mobile Panzerabwehr durch autonome Auslösung und stationären Schutz.
  • Künftige Entwicklungen erfordern höhere Reichweiten, bessere Sensorik und robustere Energieversorgung.

Welche Panzerabwehrsysteme nutzt die Bundeswehr?

Die Bundeswehr nutzt mehrere Systeme zur Panzerabwehr: die tragbare Panzerfaust 3, das moderne Lenkflugkörpersystem MELLS, die Panzerabwehrrichtmine DM22, die Panzerabwehrmine DM31 sowie das multifunktionale Wirkmittel 90. Zusammen bilden sie einen flexiblen Mix aus mobilen, stationären und sensorbasierten Abwehrmitteln.

Historische Entwicklung der Panzerabwehr

Die Geschichte der Panzerabwehr beginnt lange vor dem ersten modernen Gefechtsfahrzeug. Bereits in der Antike war der Wunsch präsent, Gegnern mit überlegener Mobilität oder Schutz entgegenzutreten. Streitwagen setzten Schockeffekte ein, während Rammböcke geschützt an Festungen herangeführt wurden. Erst die Industrialisierung schuf die Grundlage für echte gepanzerte Fahrzeuge. Paul Daimler präsentierte 1906 ein radgepanzertes Fahrzeug mit Rundumschutz und MG-Kuppel.

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Seine Idee blieb ungenutzt, stellte jedoch die Kernfrage der Gegenmaßnahmen. Mit dem Auftreten der ersten Panzer im Ersten Weltkrieg wurde die Panzerabwehr zu einer zwingenden Notwendigkeit. Seitdem prägt ein technologischer Wettlauf die Militärgeschichte: bessere Panzerungen führten zu stärkeren Abwehrsystemen und umgekehrt. Heute zeigt der Konflikt in der Ukraine, dass moderne Armeen weiterhin auf vielseitige Anti-Panzer-Fähigkeiten angewiesen sind.

Die Panzerfaust 3 als Standardhandwaffe der Bundeswehr

Die Panzerfaust 3 bildet das grundlegende tragbare System der deutschen Infanterie. Sie ist einfach zu bedienen und eignet sich für Soldaten aller Truppengattungen. Das System kann mit verschiedenen Munitionssorten ausgestattet werden. Die klassische Hohlladung dient der Bekämpfung gepanzerter Fahrzeuge. Mit einem Abstandsrohr wird die Panzerfaust zur sogenannten Bunkerfaust, die Ziele hinter Deckungen oder in befestigten Stellungen erreicht.

Besonders vorteilhaft ist, dass die Panzerfaust 3 auch aus geschlossenen Räumen abgefeuert werden kann. Das erhöht ihre Einsatzflexibilität in urbanen Gefechtslagen. Seit ihrer Einführung 1992 wird sie nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Niederlanden und der Schweiz genutzt. Die Waffe gilt als robust, zuverlässig und praxiserprobt. Aufgrund ihres geringen Gewichts und ihrer unkomplizierten Bedienung bleibt sie das Mittel der Wahl, um möglichst viele Soldaten schnell für die Panzerabwehr zu befähigen.

MELLS – das modernste Lenkflugkörpersystem der Bundeswehr

MELLS steht für „Mehrrollenfähiges Leichtes Lenkflugkörpersystem“ und gilt als das modernste Panzerabwehrsystem der Bundeswehr. Der Flugkörper wiegt rund 13 Kilogramm und wird über eine spezielle Waffenanlage abgefeuert, die mit einem hochentwickelten Feuerleitrechner ausgestattet ist. Das System nutzt einen Zweifach-Zielsuchkopf, der bei Tag und Nacht arbeitet. Nachdem das Ziel erfasst ist, kann der Lenkflugkörper selbstständig ins Ziel fliegen.

Dieses Fire-and-Forget-Prinzip erlaubt es den Schützen, unmittelbar nach dem Schuss die Stellung zu wechseln. Auch Ziele hinter Deckungen können bekämpft werden, da MELLS verschiedene Flugbahnen einschlagen kann. Der Einsatz ist sowohl abgesessen als auch von Fahrzeugen oder Hubschraubern möglich, etwa vom Waffenträger Wiesel oder dem Schützenpanzer Puma. MELLS steigert die Reichweite und Präzision der Panzerabwehr erheblich und erweitert die Handlungsmöglichkeiten der Truppe im modernen Gefechtsfeld.

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Panzerabwehrrichtminen DM22 – sensorbasierte Abwehr am Wegesrand

Die Panzerabwehrrichtmine DM22 (PARM) dient als autonome, stationäre Panzerabwehr. Sie ist auf einem Dreibein montiert und wird an Engstellen, Straßen oder Geländekanten eingesetzt. Ihre Auslösung erfolgt über einen Lichtwellenleiter, der beim Überrollen durch ein schweres Fahrzeug beschädigt wird. Alternativ kann ein Infrarotsensor genutzt werden.

Die Mine ist mit einer Hohlladung ausgestattet, die gezielt empfindliche Bereiche wie Kettenlaufwerke oder seitliche Wannenbereiche trifft. In den vergangenen Jahren wurde sie nicht mehr produziert, da kein Bedarf bestand. Der Krieg in der Ukraine zeigte jedoch erneut die Bedeutung solcher Systeme. Daher wird die DM22 ab 2026 wieder an die Truppe ausgeliefert. Die Richtmine ermöglicht eine nachweislich wirksame, kosteneffiziente und verlässliche Panzerabwehr in statischen Lagen.

Panzerabwehrminen DM31 – moderne Minentechnik mit Elektrozündern

Die Panzerabwehrmine DM31 ergänzt die Richtmine als vollautomatisches Minensystem, das im Boden verlegt wird. Der Einsatz erfolgt über das Minenverlegesystem 85, das vom Lkw gezogen wird und die Minen in etwa 20 Zentimetern Tiefe absetzt. Dies ermöglicht eine schnelle und flächendeckende Anlage von Minensperren. Der Zündmechanismus basiert auf einem elektronischen Sensor, der Veränderungen im Erdmagnetfeld misst.

Nur schwere militärische Fahrzeuge erreichen das nötige Auslösegewicht. Zivile Fahrzeuge bleiben unbeeinträchtigt. Auch die DM31 arbeitet mit Hohlladungswirkung, um gepanzerte Fahrzeuge zuverlässig zu beschädigen. Ihre einfache Bedienung durch nur zwei Soldaten macht sie besonders praxistauglich. Die Mine gilt als robust, langlebig und ein zentraler Bestandteil stationärer Panzerabwehrmaßnahmen.

Wirkmittel 90 – vielseitiges Wirkmittel mit Top-Attack-Fähigkeit

Das Wirkmittel 90 ist ein nachtkampffähiges System zur Bekämpfung weicher und halbharter Ziele. Eine Besonderheit ist seine Fähigkeit, Ziele von oben anzugreifen. Die Oberseite gepanzerter Fahrzeuge ist meist schwächer geschützt. Der Schütze kann die Patrone so einstellen, dass sie über einem Ziel detoniert oder erst nach einem Durchschlag verzögert explodiert.

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Zusätzlich existieren Varianten zur Beleuchtung des Gefechtsfeldes, sowohl im sichtbaren Licht als auch im Infrarotbereich. Nebel-, Leucht- und Übungspatronen erweitern den Anwendungsbereich. Die Reichweite beträgt bis zu 1.200 Meter, abhängig von der verwendeten Munition. Aktuell steht der Bundeswehr jedoch nicht die dafür notwendige Panzerabwehrmunitionsart zur Verfügung. Daher wird das Wirkmittel 90 derzeit nicht zur Panzerabwehr eingesetzt, bleibt jedoch ein vielseitiges Unterstützungs- und Effektmittel auf dem Gefechtsfeld.

Der aktuelle Sachstand und Herausforderungen der Zukunft

Die Bundeswehr verfügt heute über einen modernen, ausgewogenen Mix an Panzerabwehrsystemen. Von Minensperren über tragbare Panzerabwehrwaffen bis hin zu fortschrittlichen Lenkflugkörpersystemen deckt sie das gesamte Spektrum ab. Systeme wie MELLS oder das Wirkmittel 90 können eine Vielzahl gepanzerter Ziele bekämpfen. Ihre Bedienung erfordert jedoch spezialisierte Ausbildung. Die Panzerfaust 3 ermöglicht hingegen eine breite Befähigung aller Soldaten zur Panzerabwehr.

Gleichzeitig entwickelt sich die Panzertechnik stetig weiter. Neue Schutzsysteme wie Verbundpanzerungen, Reaktivpanzerungen und aktive Schutzsysteme erhöhen die Anforderungen an moderne Abwehrmittel. Für zukünftige Entwicklungen sind größere Reichweiten, verbesserte Sensorik, höhere Präzision und leistungsfähigere Energieversorgung entscheidend. Non-Line-of-Sight-Fähigkeiten gewinnen zunehmend an Bedeutung. Panzerabwehr bleibt damit ein dynamisches und technologisch anspruchsvolles Feld.

Fazit

Panzerabwehr bleibt eine Schlüsselkompetenz moderner Streitkräfte. Die Bundeswehr setzt dafür auf einen breit angelegten Mix aus Handwaffen, Lenkflugkörpersystemen und Minentechnik. Besonders MELLS, Panzerfaust 3 und DM31 bilden ein leistungsfähiges Fundament. Gleichzeitig wächst der Bedarf an besseren Sensoren, größerer Reichweite und moderner Vernetzung. Wer den Schutz gegen gepanzerte Bedrohungen stärken will, braucht ständig weiterentwickelte Systeme. Der technologische Wettlauf zwischen Panzerung und Panzerabwehr wird daher auch in Zukunft Konflikte prägen und Innovationen erzwingen.

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