Bundeswehr-Funk: Milliardenprojekt wankt

Die Einführung des neuen Digitalfunks der Bundeswehr entwickelt sich zu einem milliardenschweren Problemprojekt. Erst passten die hochmodernen Funkgeräte physisch nicht in viele Fahrzeuge, nun scheitern sie zusätzlich an ihrer komplexen Software. Ein erster Praxistest auf dem Truppenübungsplatz Munster wurde bereits im Mai abgebrochen, weil die Geräte als „nicht truppentauglich“ bewertet wurden. Damit rückt das Ziel, bis 2027 eine Heeresdivision vollständig auszurüsten, in weite Ferne.

Bundeswehr-Funk: Milliardenprojekt wankt
Bundeswehr-Funk: Milliardenprojekt wankt

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Praxistest der neuen Funkgeräte wurde abgebrochen – sie gelten als „nicht truppentauglich“.
  • Die Software ist so kompliziert, dass Soldaten kaum Funkkreise aufbauen konnten.
  • Fahrzeugwechsel im Funknetz scheiterte, obwohl dies ein Standardtest ist.
  • Milliardenprojekt D-LBO droht sich deutlich zu verzögern.
  • Ministerium spricht von einer „Operation am offenen Herzen“ und kann Tests nicht kommentieren.

Warum gelten die neuen Funkgeräte der Bundeswehr als nicht truppentauglich?

Die neuen Funkgeräte gelten als nicht truppentauglich, weil sie im Praxistest weder zuverlässig Funkkreise aufbauen konnten noch einen schnellen Fahrzeugwechsel im Funknetz ermöglichten. Zusätzlich erwies sich die Software als zu komplex, was den Betrieb massiv erschwerte.

Tabelle: Zentrale Problemschwerpunkte des Digitalfunkprojekts

Bereich Problem Auswirkung
Hardware/Integration Geräte passten nicht in über 200 Fahrzeugtypen Nur ~30 Typen bisher ausgerüstet, Verzögerungen
Energieversorgung Fahrzeuge liefern zu geringe und instabile Spannung Funkgeräte nicht zuverlässig betreibbar
Software Bedienoberfläche zu komplex, Funksprünge scheitern Soldaten können Funkkreise kaum aufbauen
Projektplanung Großbestellung vor Prüfung der Integration Milliardenrisiko, Nachrüstaufwand
Zeitplan NATO-Ziel 2025 verfehlt, 2027 wackelt Einsatzbereitschaft gefährdet
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Erster Praxistest scheitert und löst interne Zweifel aus

Der erste Praxistest auf dem Truppenübungsplatz Munster brachte die Schwächen des Systems schonungslos ans Licht. Die Funkgeräte mussten vorzeitig aus dem Test genommen werden, weil sie die Anforderungen nicht erfüllten. Soldaten konnten Funkkreise nur mit großer Mühe aufbauen, was bereits den Grundbetrieb erheblich erschwerte.

Auch beim Sprechfunk zeigten sich massive Funktionsprobleme. Besonders kritisch war, dass der schnelle Fahrzeugwechsel eines Kommandeurs im Funknetz scheiterte. Dieser Test gilt als Standardverfahren und ist entscheidend, um die Einsatzfähigkeit zu bestätigen. Innerhalb der Bundeswehr wuchsen daraufhin die Zweifel, ob das System überhaupt praxistauglich werden kann.

Die Software gilt als Hauptursache der aktuellen Funktionsprobleme

Laut Medienbericht ist die Software derzeit der größte Schwachpunkt der neuen Funkgeräte. Die Benutzeroberfläche sei so kompliziert, dass einfache Abläufe kaum durchführbar waren. Soldaten benötigten viel Zeit, um Funkverbindungen aufzubauen, was im Ernstfall fatale Folgen hätte. Zudem zeigten sich gravierende Schwierigkeiten beim Sprechfunk.

Besonders alarmierend ist, dass der Hersteller Rohde & Schwarz nun unter Hochdruck ein Software-Update entwickelt. Das zeigt, wie unzureichend die Geräte bisher vorbereitet waren. Die Software galt ursprünglich als Kern des Modernisierungsprojekts, entpuppt sich nun aber als entscheidender Verzögerungsfaktor.

Milliardenprojekt D-LBO gerät ins Wanken

Das Projekt „Digitalisierung Landbasierte Operationen (D-LBO)“ soll die Bundeswehr technisch auf NATO-Standard bringen. Mehrere Milliarden Euro sind dafür aus dem Sondervermögen reserviert. Doch nach dem gescheiterten Test steht der Zeitplan auf der Kippe.

Die Bundeswehr sollte 2025 eine truppenfähige Lösung präsentieren, doch das Ziel wurde bereits verfehlt. Nun droht auch die Ausrüstung einer ganzen Division bis 2027 zu scheitern. Die Sorge vor einem teuren Fehlschlag wächst. Auch Minister Pistorius wurde erst spät über die Probleme informiert, was Fragen zur Projektkommunikation aufwirft.

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Pannenserie setzt sich fort: Von Passformproblemen bis Stromschwankungen

Schon 2023 war das Projekt durch massive technische Schwierigkeiten belastet. Die Funkgeräte konnten nicht in viele der über 200 Fahrzeugtypen eingebaut werden, da Dimensionen und Schnittstellen nicht passten. Nur rund 30 Fahrzeuge sind inzwischen vollständig integriert, während bei über 80 Typen noch Tests laufen.

Zusätzlich erwiesen sich Lichtmaschinen und Batterien vieler Fahrzeuge als ungeeignet, da sie keine stabile Spannung lieferten. Ohne konstante Energieversorgung versagen die empfindlichen Digitalfunkgeräte. Diese technischen Versäumnisse führten zu Verzögerungen, Mehraufwand und wachsendem Unmut im Verteidigungsministerium.

Kritik an Management und Beschaffungsprozessen nimmt zu

Die Entscheidung, eine Großbestellung auszulösen, ohne zuvor die Integration in bestehende Fahrzeuge zu prüfen, gilt heute als Kardinalfehler. Der damalige Ablauf sorgte bereits 2023 für Ärger im Verteidigungsministerium. Minister Pistorius, der das Projekt von Christine Lambrecht übernahm, zeigte sich damals „verärgert“. Die jetzigen Probleme verstärken die Kritik an der Beschaffungsorganisation.

Der unklare Informationsfluss, die verspätete Weitergabe von Problemen und die mangelnde technische Vorbereitung deuten auf strukturelle Defizite hin. Viele Experten befürchten, dass weitere Verzögerungen folgen, sollte der Prozess nicht grundlegend reformiert werden.

Veralteter Analogfunk zeigt die Dringlichkeit des Projekts

Der Rückstand der Bundeswehr im Bereich Funkkommunikation ist enorm. Noch heute werden Übungen und potenzielle Einsätze mit analogen, unverschlüsselten Geräten durchgeführt. Diese stammen teils aus den 1980er-Jahren und wurden 2021 sogar für über eine halbe Milliarde Euro nachproduziert.

Mit einem Stückpreis von rund 20.000 Euro gelten sie als teuer und veraltet. Zudem sind sie nicht kompatibel mit den digitalen NATO-Standards. Die Bundeswehr ist damit weder abhörsicher noch zukunftsfähig. Genau deshalb war das Digitalfunkprojekt so dringend. Doch der aktuelle Zustand zeigt, wie weit man trotz Milliardenbudget hinterherhinkt.

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Fazit

Der misslungene Test der neuen Funkgeräte zeigt, wie tiefgreifend die Probleme im Digitalfunkprojekt der Bundeswehr sind. Technische Mängel, Softwarefehler und organisatorische Versäumnisse gefährden Zeitplan, Einsatzfähigkeit und Milliardeninvestitionen. Ohne schnelle Korrekturen droht ein Kommunikationssystem, das weder NATO-kompatibel noch praxistauglich ist. Das Projekt steht sinnbildlich für die Herausforderungen der Zeitenwende – und für die Frage, ob die Modernisierung wirklich gelingt.

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